Leistungskurs Geschichte stößt fast 70 Jahre nach Kriegsende auch auf Engstirnigkeit

Wenige Monate vor ihrem Abitur erkundete der Geschichte LK 13 des Marien-Gymnasiums ein Stück Werler Vergangenheit. Thematisch haben sich bislang die 21 Schüler des MG und 4 Schüler des UG im Unterricht mit der Französischen Revolution bis hin zu den Staatsgründungen der BRD und DDR beschäf-tigt. Die nationalsozialistische Gewaltherrschaft von 1933 bis 1945 stand bei der durchgeführten Erkun-dung vor Ort im Mittelpunkt. Dabei erkannten die Schüler sowohl Parallelen als auch Unterschiede von der generellen deutschen Geschichte zur Lokalgeschichte; auch die Notwendigkeit der Beschäftigung mit Geschichte wurde den Schülern durch spontane Begegnungen deutlich.


Diskriminierung, Entrechtung und Deportationen von jüdischen Mitbewohnern fanden in der Hellwegstadt ebenso wie im gesamten Deutschen Reich statt. Zwangsarisierungsmaßnahmen, Zwangsarbeit sowie Maß-nahmen zur Vorbereitung des Krieges in Kombination mit der künstlichen Senkung der Arbeitslosigkeit wurden auch hier betrieben. Dazu wurden bekannte Quellen zur deutschen Geschichte aber auch spezielle Quellen zur Werler Stadtgeschichte aus dem Stadtarchiv herangezogen; diese wurden vor einigen Jahren unter Mithilfe des einstigen Stadtarchivars Josef Deisting sowie des MG-Lehrers Lothar Drewke den Schü-lern zugänglich gemacht.
Vorträge zu den historischen Geschehnissen wurden am Synagogenplatz, auf dem Werler Marktplatz, auf dem die „Werler Schandsäule“ zu finden war, entlang der Marktstraße, dem einstigen „von Papen-Ufer“, vor einst „arisierten“ Geschäften sowie den Grabstätten der in Werl ums Leben gekommenen Zwangsar-beitern gehalten. Auch der Bau des Schwimmbades und des Flugplatzes thematisierten die Schüler; Maß-nahmen, die zur Kriegsvorbereitung und Wehrertüchtigung sowie zur künstlichen Reduzierung der Ar-beitslosigkeit getroffen wurden. Die Schüler stellten zudem die Ergebnisse der Reichstagswahlen am 5. März 1933 im Deutschen Reich mit denen in Werl gegenüber und mussten feststellen, dass in Werl die NSDAP mit 25% deutlich unter dem Ergebnis im gesamten Deutschen Reich mit fast 44% lag. Gebunden waren die Werler Bürger offensichtlich in der katholischen Zentrumspartei. Gleichsam deckten die Schüler aber auch die beschämende Rolle des Vizekanzlers unter Hitler, Franz von Papen, auf, der als „Steigbügel-halter“ Hitler an die Macht verhalf und zeitlebens keinerlei Einsicht zeigte. Die 1945 vorgenommene Um-benennung des „von Papen-Ufer“ in „Marktstraße“ hielten die Schüler deshalb auch für gerechtfertigt. Anders sahen dies einige Werler Bürger, die den Vorträgen der Schüler lauschten und kommentierten, dass es besser sei, die Geschehnisse nicht mehr zu beleuchten oder sogar feststellten, dass Franz von Papen „in Ordnung gewesen sei“. Für die Schüler eine wichtige Erfahrung, dass fundierte Geschichtskenntnisse not-wendig sind, um Versuchen von Geschichtsklitterung entgegenzutreten.
Im März fährt der Kurs auf eigenen Wunsch nach Berlin. Dort steht die Beschäftigung und Erkundung vor Ort insbesondere zur DDR-Diktatur im Vordergrund.

(Bild 1: Viele Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sind z.T. mit ihren Kindern auf dem Parkriedhof beigesetzt. Die Stele mit dem Einschnitt in der Mitte symbolisiert den Bruch in den Biographien vieler Menschen, die im Deutschen Reich und so auch in Werl zur Arbeit gezwungen wurden.  
Bild 2: Marius Müller referiert vor  seinen Mitschülern über die Deportationen aus der UdSSR während des „Unterneh-mens Barbarossa“ sowie den Einsatz von Zwangsarbeitern in Werl)

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